Flüchtlingsarbeit

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Bericht Gemeindenachrichten 6/2017

Seit dem 21. September wohnt eine neu zu uns geflüchtete Familie hier in Gildehaus am Wellkamp.

Es sind das junge Ehepaar Nour Al Omawi und Mohamed Al Kaisi mit ihrer 10-jährigen Tochter Mariam und dem 12-jährigen Sohn Ahmed. Sie kommen aus der Großstadt Bagdad im Irak, wo der Mann als Elektriker arbeitete. Für die Dauer ihres Asylverfahrens werden sie hier leben und die Kinder zur Schule gehen. Die Eltern werden erst mal an den in Bad Bentheim angebotenen Deutschkursen teilnehmen. Ihre Muttersprache ist Arabisch mit dem für uns Nicht-Araber sehr schwierigen Alphabet und der Schreibweise von rechts nach links. Es ist gewiss nicht leicht, die hier so andere Schreibweise und Lesart zu erlernen. Wenn für sie plötzlich Zahlen und Daten „auf den Kopf gestellt“ sind, ist es gewiss schwierig, immer alle für uns so wichtigen Termine richtig zu verstehen und dann einzuhalten. Ich wünsche der Familie Erfolg beim Lernen und geduldige Lehrer - aber vor allem, dass sie sich hier sicher aufgehoben fühlen.

Jutta Külkens

Bericht Gemeindenachrichten 2/2017

Eziden in Gildehaus

Wir alle kennen die großen monotheis-tischen Religionen, Judentum, Christentum, Islam. Sie haben ihren Ursprung im Orient, wo auch der ezidische Glaube entstand.

Mit dem großen Zustrom von Flüchtenden kamen auch Eziden bis zu uns nach Gildehaus. Viele von uns sehen vielleicht auch die junge Familie Genji, die hier über der Filiale der Bäckerei Helms wohnt. Es ist ein Ehepaar mit drei kleinen Mädchen. Joan und Jihan gehen hier täglich in den Kindergarten Sonnenschein und auch einmal wöchentlich zum Kindersport in der Schulturnhalle. Die Jüngste, Jirmana, wurde bisher von den Eltern im Kinderwagen durchs Dorf geschoben, sie läuft aber mit ihren 15 Monaten schon munter durch die Wohnung und steigt auch schon die Treppe empor! Die Eltern besuchen abwechselnd einen Sprachkurs in Bad Bentheim und warten auf ihre Asyl-Anerkennung, um am Integrationskurs in Nordhorn teilnehmen zu können – und anschließend erwerbstätig werden zu dürfen. Sie kamen aus dem Sinjar-Gebirge, wohin sie vor der Verfolgung aus ihrer Heimat Ninive durch den sog. „IS“ - Islamischer Staat geflohen waren.

Betreut werden sie hier auch von der Familie Boga, die als Eziden schon vor 30 Jahren wegen religiöser Verfolgung aus der Türkei nach Deutschland kamen. Sie leben mit ihren Kindern schon lange hier in Gildehaus, fühlen sich als Eziden aber immer verantwortlich für die teils katastrophale Lage der flüchtenden Glaubensgeschwister aus Syrien, Irak, Iran und Türkei.

Ihre Religion haben sie so beschrieben:

Das Wort „Eziden“ ist abgeleitet vom Wortstamm „Ezdai“ = Der, der mich erschaffen hat. Wir glauben an einen Gott „Xwede“ = Der, der sich selbst erschaffen hat. Jeder Mensch ist frei geboren, mit einem freien Willen und ist in erster Linie selbst verantwortlich für sein Tun und Wirken. Wir glauben an Seelenwanderung und Wiedergeburt. Unser Heiligtum/Tempel „Lalish“ befindet sich im Irak. Es gibt viele religiöse Texte, die „Qwewels“, die mündlich überliefert wurden. Das Ezidentum ist ein Kastensystem aus zwei Kasten, 80% gläubiges Volk und 20% Geistliche. Die Eziden leben auf der Grundlage der Nächstenliebe, sie sind friedfertig, tolerant und weltoffen. Sie missionieren nicht, da es nicht „die eine Wahrheit“ für alle gibt, sondern viele Wahrheiten.

Bessi und Halef Boga vertreten sehr aktiv die Idee „Hilfe zur Selbsthilfe“. Sie unterstützen regelmäßig geflüchtete Eziden, Christen, Juden und auch Muslime in Flüchtlingslagern im Irak, deren Kraft und Mittel für eine Weiterreise nicht ausreicht. Die Flüchtlinge leben dort unter teils erbärmlichsten menschenunwürdigen Umständen. Die hier gegründete „Gesellschaft ezidischer Akademiker“ hat ein Projekt geschaffen, das Patenschaften für Studierende in den Lagern vermittelt. Durch finanzielle Unterstützung soll Hoffnung, Kraft und Stärke wach gehalten und echte Lebensperspektiven geboten werden.

Die Gesellschaft bittet um Unterstützung und appellieren an unsere christliche Nächstenliebe, diese Hoffnung auf Verbesserung der Lebensqualität zu stärken.

Shalom & Salam

Bessi und Halef Boga, Jutta Külkens

Bericht Gemeindenachrichten 4/2016

Meine Arbeit als Flüchtlingskoordinatorin in Bad Bentheim oder
"Leben Tiger im Bentheimer Wald?"

In meiner Tätigkeit als Flüchtlingskoordinatorin habe ich mit Asylsuchenden, Bleibeberechtigten sowie geduldeten und anerkannten Flüchtlingen aus 16 Ländern zu tun. Etwa 230 Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen ihre Heimat verlassen mussten, haben den Weg in unsere Kommune gefunden.

flüchtlingsarbeit GN BerichtMit meiner Sozialarbeit unterstütze ich diese Flüchtlinge in Bad Bentheim in allen Fragen ihres neuen täglichen Lebens. Ich versuche sie zu selbständigem Handeln zu befähigen, damit sie die Herausforderungen des Lebens in Deutschland meistern können. Wie fremd unsere Kultur und unser Land diesen Menschen sind, hat mir die Frage eines Flüchtlings nach der Existenz von Tigern im Bentheimer Wald verdeutlicht. Ich konnte ihn beruhigen.

Im direkten Kontakt mit den Flüchtlingen in ihren Wohnungen begleite und helfe ich bei lebenspraktischen Dingen. Wo z. B. kann ich Lebensmittel einkaufen, die ich aus meiner Heimat kenne? Den teilweise traumatisierten und unter Entwurzelung leidenden Menschen biete ich gemeinsam mit den ehrenamtlich tätigen Übersetzern meine Hilfe an.

Mein Arbeitsplatz mit festen Sprechzeiten jeden Mittwoch von 12.00 - 14.00 Uhr ist im Treff 10 untergebracht. Von hier aus begleite ich die Flüchtlinge unter anderem zur Ausländerbehörde nach Nordhorn oder vermittle Deutschkurse für sie. In regelmäßigen Treffen mit den sehr engagierten Paten und Betreuern werden aktuelle Fragen der Paten diskutiert und Erfahrungen ausgetauscht.

Weitere Kernaufgabe ist, allen Altersgruppen einen Zugang zu Bildung zu verschaffen und für die Kinder notwendige Kinderbetreuungsangebote zu organisieren.

Ein wesentliches Ziel meiner Arbeit ist die Integration der Flüchtlinge in unsere Gesellschaft. Dies gelingt oft durch die Vermittlung von Sportangeboten oder anderen Gelegenheiten, in denen Begegnung zwischen Bentheimern und Flüchtlingen stattfindet.

Ohne die Paten wäre meine Arbeit bei weitem nicht so wirkungsvoll. Ich verstehe mich als Coach und Unterstützerin der Paten in der Stadt. Gemeinsam bauen wir Netzwerke mit unterschiedlichen Institutionen und Hilfseinrichtungen in der Region auf.

Ich freue mich, dass Sie als Gemeindeglied unsere wichtige Arbeit unterstützen.

Herzliche Grüße

Maike Koernig

Stand 05.06.2016

Danke für viele großzügige Spenden

Es wird Zeit, dass ich – wieder einmal – den tiefen Dank der vielen, hier gestrandeten Familien an die Reformierte Kirchengemeinde in Gildehaus übermittele. Seit dem Sommer vergangenen Jahres ist so viel passiert, viele geflüchtete Menschen kamen, einige gingen auch wieder.

Und immer konnte ich ihnen das hier Einleben oder den Neu – Start in der alten Heimat durch die großzügigen Spendengelder unterstützen.

Das erleichterte auch mir und meinen vielen neuen Kollegen unsere Arbeit als „Integrationshelfer". Dieser Begriff wird inzwischen so inflationär benutzt, ich bezeichne unsere Aufgaben lieber als „Ein – Lebenshilfe" oder „Orientierungshilfe".

Und da kann es schon hilfreich sein, wenn ein Fachmann vom Ort den Fernseher plus Antenne wirklich fachmännisch anschließt, erste Bildwörterbücher Arabisch – Deutsch zur Verfügung gestellt werden, eine Monatskarte zur Uni Osnabrück finanziert wird. Aber eben auch mal ein Familien – Essen bei McDonalds, diese Kinderträume sind wirklich international! Und dann stelle ich auch mal meine persönliche Meinung zu Fast-Food-Restaurants zurück. Menschen, die ihre Heimat verloren haben, die schreckliche Erlebnisse aus ihrem Weg fort von Zuhause in eine fremde Welt hatten – mit denen diskutiere ich doch nicht über die moralische Berechtigung von „Big Macs" und „Chicken McNuggets".

Den abgelehnten Asylbewerbern geben wir als „Arbeitskreis Zuwanderung" immer eine Reiseapotheke mit für den Rückweg, (der gerade den Roma oft schwer fällt) und ein Startgeld, um die erste Zeit zu überbrücken, bis sie sich dort – hoffentlich/ vielleicht – eine (Über)lebensmöglichkeit geschaffen haben.

Ab Ostern war ich für 10 Tage in Albanien, um dort zusammen mit einem anderen Paten die Familie Misha zu besuchen, mit dem Plan, mit ihnen gemeinsam eine Möglichkeit zu finden, vorzuschlagen, aufzubauen, wie sie dort in ihrer vertrauten Umgebung ein „besseres" Leben führen können. Es war für uns beide enttäuschend, feststellen zu müssen, dass die ganze Familie (wie auch die übrigen Bewohner der Straße in der Siedlung) nur immer wiederholten: "Wir wollen zurück nach Deutschland". Die Kinder gehen nicht mehr zur Schule, keiner kümmert sich ....

Albanien ist ein landschaftlich wunderschönes Land, bestimmt ein großartiges Touristenziel, preiswert, mit gut ausgebauten Straßen, abenteuerlichen Ausblicken, antiken Fundstellen mit gut ausgebauten Museen, beeindruckenden orthodoxen Kirchen, ein Land im Aufbau nach jahrzehntelangem kommunistischen Stillstand. Ein Land mit Mindestlohn, Krankenversicherung, Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung, Schulpflicht- aber ein Land, in dem die Roma nicht wahrgenommen werden. Sie leben in einer Parallelwelt. Es fließen schon viele EU-Gelder nach Albanien, überall sind diese Spuren sichtbar, aber die ethnische Minderheit der Roma wird nicht bedacht. Ich bemühe mich jetzt, über das Forum „Ziviler Friedensdienst" dort ein Bildungsprojekt zu installieren, das dauert nur alles. Und die Kinder gehen nicht zur Schule .......

Zurück zu den Spendengeldern: Ich habe - ganz eigenmächtig – ein hier aus Gildehaus gestartetes Hilfsprojekt unterstützt: Herr Hamid Boga, türkischer Jeside, ist zum wiederholten Mal im Auftrag der „Gesellschaft für bedrohte Völker" in den Irak gereist, um dort in einem Flüchtlingslager lebende Flüchtlinge mit Lebensmitteln und Bildungsmaterial zu versorgen. Wenn er zurückkommt, will er sehr gerne von seinen Eindrücken und Erlebnissen berichten und die jesidische Religion vorstellen.

Schalom & Salam, Jutta Külkens

Stand 25.11.2015

- Gehen (müssen) und Ankommen -

Abreise

Nun sind sie fort – das Ehepaar Luljeta und Genci Misha mit ihren Söhnen Vandan und Erxan. Und ich werde nicht die Einzige sein, die diese ruhige, unaufdringliche Familie vermisst. Sie machten sich nicht wichtig, waren aber auf ihre freundliche Art immer präsent, wenn ich das Haus am Wellkamp besuchte. Immer gastfreundlich, da kam selten ein böses Wort über andere Mitbewohner, sie nahmen vieles hin, unaufgeregt – vielleicht ergeben?

Ihr Platz neben mir, auf der anderen Gangseite der Kirche ist nicht leer geblieben, seit sie sich verabschiedeten, aber doch ist da etwas Vertrautes einfach weg. Sie verstanden wenig von unserer Sprache, saßen aber wie ich im Gottesdienst, um aufzutanken, Hoffnung immer wieder zu stärken, die Atmosphäre zu spüren, sie waren ein Teil unserer Gemeinde.

Aber nun sind sie wieder zurück in Albanien,auch ein bisschen froh, in heimatlich vertrauter Umgebung wieder angekommen zu sein. Es war ihr ehrlicher Versuch, ihren Kindern eine Basis (Schulbildung) für eine bessere Zukunft zu bieten, vielleicht erfolglos, wenn wir es nach Leistung bemessen. Aber ich glaube, sie haben ihren Kindern neue Träume gegeben, einen Blick über den Tellerrand verschafft, Zukunftsperspektiven gezeigt. Und im kommenden Frühjahr werde/möchte ich, vielleicht zusammen mit Anderen ähnlich Denkenden eine Reise zu Mishas in die Umgebung von Tirana/Albanien machen und dort schauen, ob wir nicht Möglichkeiten sehen, das Leben von Roma in diesem Land, und speziell von dieser Familie aus der elenden Situation heraus zu entwickeln, ein kleines Projekt vielleicht. „Wenn viele kleine Leute viele kleine Schritte tun, können sie das Gesicht der Welt verändern." Mikro-Kredite haben schon soviel gute Entwicklungen in fernen Ländern angestoßen, das kann doch auch in nicht so fernen Ländern möglich sein.

Ankunft

Im Haus am Wellkamp sind jetzt wieder alle Wohnungen belegt, seit einigen Wochen leben dort das Ehepaar Mohammed Mearee mit seiner Frau Fatme Bayee und ihrer kleinen Tochter Fahra. Mit ihnen in der Wohnung ist ein Freund untergebracht, Joussef Suleiman. Sie kamen aus Syrien und haben einen beschwerlichen Weg hinter sich gebracht, sind aber junge Leute, die mit Energie daran gehen, ihr Leben hier aktiv zu gestalten. Joussef ist Schneider von Beruf und arbeitet als Praktikant in unserer Gildehauser Änderungsschneiderei. Es ist ein guter Zufall, dass beide aus benachbarten Orten in Syrien kommen und sich gut verstehen. Mohammed arbeitet zusammen mit andern Flüchtlingen als „Ein-Euro-Jobber" in Bad Bentheim im Schlosspark und allen öffentlichen Anlagen. Sie werden betreut von Gerd Bertels und Horst Schonert, die den ganzen Haushalt drei mal wöchentlich zu den in Bentheim angebotenen Sprachkursen fahren.

Und seit gestern ist die nun frei gewordene Wohnung der Familie Misha wieder bezogen. Dort wohnen nun die drei Brüder Kawa, Sinar und Abdulla Hami, und mit ihnen ihr Cousin Seud Alissa.

Alle vier kommen auch aus Syrien, sie sind Kurden aus Al Hassakah in Syrien, genau wie Joussef Suleiman von nebenan – und wie die Familie Othman, die früher mal in der Oberwohnung am Wellkamp lebten, danach am Nordring in Bentheim und jetzt in Lüneburg. Die beiden Söhne Ardilan und Dilar wohnen noch in Bentheim und pflegen nun ihrerseits den Kontakt zu den neu hier Angekommenen, helfen mit Übersetzen und Berichten ihrer Integrationserfahrungen.

Zusätzlich zum Haus am Wellkamp hat die Stadt noch eine Wohnung Ernst Buermeier Straße/ Ecke Kuhkamp angemietet, wo seit einigen Wochen nun eine Familie mit zwei Töchtern lebt. Sie sind Roma aus Mazedonien, Milaim Idriz mit seiner Frau Barije Shakirowska und den Mädels Jasmina und Angelina, die seit Ende der Herbstferien hier auch zur Schule gehen. Sie werden von Rolf Lüüs betreut, der vor allem die schulischen Aktivitäten der beiden Schwestern unterstützen will.

Liebe Gildehauser Gemeinde!

Wie Sie sehen, wird unser Engagement für Flüchtende und Wandernde immer stärker gefragt. Ich bin sehr dankbar, so viel aktive MitarbeiterInnen zu haben, die den „Neuen" das Einleben erleichtern. Auch sehr dankbar bin ich für die vielen Geldspenden, mit denen ich relativ frei wirtschaften kann und manche Freuden und manches Not-Wendende damit ermöglichen kann! Den Dank aller von Ihrer Großzügigkeit Profitierenden gebe ich gerne an Sie weiter! Und all die Fahrräder und anderen Sachspenden geben soviel Freude und Unterstützung! Danke auch dafür!

Und dennoch werde ich nicht aufhören zu beten, für mehr Frieden in der Welt, für mehr Bereitschaft, miteinander zu reden, für mehr Verantwortungsbewusstsein an zuständigen Stellen für die Bewahrung der Schöpfung.

Schalom & Salam, Jutta Külkens

Stand 19.07.2015

Wir suchen weitere Paten!

Der „Arbeitskreis Zuwanderung" für Gildehaus und Bentheim sucht noch mehr Mitarbeiter: Es ist sicher, dass bis Ende dieses Jahres weitere Flüchtlinge aus den Erstaufnahmelagern weiter auf die Kommunen verteilt werden. Da diese Menschen bei uns hier in Wohnungen untergebracht werden und nicht in Sammelunterkünften oder Heimen, werden nur Familien hierher geschickt, keine Einzelreisenden.

Und Familien, die ihre Flucht gemeinsam bis nach Deutschland schaffen, sind hauptsächlich Menschen, die aus den näheren osteuropäischen Ländern kommen, Menschen, die flüchten vor einem perspektivlosen Überleben, teils in Obdachlosigkeit, auf Müllhalden, in Bruchbuden aus Pappe, Plastik, vielleicht „sogar" Wellblech, ohne Trinkwasser, ohne Strom. Ohne Arbeit, ohne Sozialfürsorge, ohne Krankenfürsorge, ohne Möglichkeit der Schulbildung. Sie suchen nach einer Chance, sich und ihren Kindern ein Leben in Würde zu ermöglichen.

Im Artikel 2 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte steht:

Jeder hat Anspruch auf die in dieser Erklärung verkündeten Rechte und Freiheiten ohne irgendeinen Unterschied, wie etwa nach Rasse, Farbe, Geschlecht, Sprache, Religion, politischer oder sonstiger Überzeugung, nationaler oder sozialer Herkunft, nach Eigentum, Geburt oder sonstigen Umständen.

Im Dezember 1948 wurde diese „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte" von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verkündet und an die Mitgliedsstaaten weitergegeben, um sie bekannt zu machen und auch anzuwenden. Das ist jetzt über 60 Jahre her, aber ich weiß von keinem Staat, der die osteuropäischen Roma als verfolgte Minderheit anerkennt und ihnen Schutz gewährt. Menschen, die seit Generationen von den Abfällen der Gesellschaft leben, eigene Überlebensstrategien entwickelt haben, brauchen Unterstützung, wenn sie unsere Wertmaßstäbe akzeptieren und annehmen sollen. Sie müssen christliche Nächstenliebe erfahren und fühlen, sie dürfen nicht Opfer bleiben von Unverständnis, vielleicht rassistischen Gedanken.

Unsere Wirtschaft braucht Zuwanderung! Aber nicht nur Akademiker! In den hier ankommenden Flüchtlingen steckt ein riesiges Potential, sie brauchen aber ganz unterschiedliche Förderungen, um unseren Anforderungen gerecht zu werden. Auch Analphabeten können noch viel lernen, wenn sie sich angenommen fühlen, erfahren, dass sich Anstrengung lohnt! Wir brauchen auch Hilfsarbeiter, die für Mindestlohn viele schwere und schmutzige Arbeiten gut machen!

Und es gibt auch noch eine ganz tolle Erfolgsnachricht:

Im Juli hat Dilar Othman sein Abschlusszeugnis der KBS Nordhorn bekommen! Mit der Erfolgsnote 1,8 als Bester seiner Klasse! Im September folgt nun noch ein 6-monatiges Praktikum bei der Lebenshilfe in Nordhorn, danach hat er seine Ausbildung zum Kaufmännischen Assistenten – Schwerpunkt Informationsverarbeitung – beendet. Gleichzeitig damit hat er die Berechtigung des Hochschulstudiums. Er und seine Familie, die jetzt in Lübeck lebt, sind überglücklich – und auch ich bin richtig stolz auf seinen Erfolg. Ich erinnere noch gut den Kampf der Familie um ein Bleiberecht in Deutschland und die großartige Unterstützung, die Dilar vor allem von der Gildehauser Kirchengemeinde bekam, was seinen Lerneifer immer wieder gestärkt hat. Seinen Dank an alle, die an ihn geglaubt und ihn unterstützt haben gebe ich gerne weiter!

Jutta Külkens

Stand 14.05.2015

Alte Bekannte

Auch Familie Antic ist wieder angekommen – nicht ganz vollzählig leben sie jetzt in einer gerade frei gewordenen Wohnung im Haus am Wellkamp. Die 18-jährige Aleksandra hat geheiratet und lebt mit ihrem Mann in Montenegro. Die Eltern haben sich getrennt und Frau Gavur ist mit den fünf bei ihr lebenden Kindern nach nur 3 Monaten Abwesenheit nach Deutschland zurückgekehrt, um die Kinder hier weiter medizinisch behandeln zu lassen.

Ich verstehe diese Mutter, die immer Wege sucht – und auch findet – ihren Kindern das Leben zu erleichtern. Andererseits sehe ich auch sehr deutlich, dass die unterschiedlichen Sozialsysteme in den Staaten Europas dazu beitragen, Menschen heimatlos über den Kontinent wandern zu lassen. Die Kinder werden hier wieder schulpflichtig sein, einige neue Vokabeln vielleicht lernen. Morgen habe ich wieder Termine mit dem Kinderarzt verabredet.

Wenn die Situation der Roma in ihren verschiedenen Herkunftsländern nicht zu ihrer aller Zufriedenheit verändert wird, wird auch die jetzt heranwachsende Generation keinen Ort „Zuhause" nennen. Wir können doch nicht ernsthaft erwarten, dass Menschen in Europa freiwillig in vermüllten, morastigen Blechhütten oder Plastikzelten vegetieren, wenn auch dort Medien aus allen Ecken ihnen zeigen, wie nahe ein „gelobtes Land" ist.

1948 wurde die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte" durch die Vereinten Nationen verabschiedet. Die Wirschafts- oder Armutsflüchtlinge, die hier immer wieder kommen und gehen, sollten schon aus Respekt vor diesen Menschenrechten irgendwo ein Recht auf Heimat zuerkannt bekommen, ein Recht auf Bildung, auf Arbeit – eben Würde.

Jutta Külkens

Stand 11.05.2015

….....und plötzlich sind sie fort!

Ostern war - zumindest für mich – dieses Jahr nicht nur Freude, dies „ER ist wahrhaftig auferstanden". An Karfreitag – ausgerechnet! - berichteten mir die Nachbarn im Haus am Wellkamp 6 von der heimlichen nächtlichen Abreise der Familie Osmani. Es mussten dann auch einige Tage vergehen, bis ich realisierte, dass Jasmina und Bajram mit Elvis, Muharem, Elmedina und Elma wirklich weg sind, verschwunden, untergetaucht eben.

Ich habe inzwischen mit vielen Menschen darüber diskutiert, wir haben die unterschiedlichsten Vermutungen geäußert, viele Szenarien durchgesprochen. Für mich bleibt als Ergebnis, dass meine – oder unsere gesellschaftlichen Vorstellungen von Sicherheit und Zukunft nicht mit den Wünschen aller anderen Menschen übereinstimmen müssen, die aus anderen Ländern zu uns kommen. Wahrscheinlich gibt es so viele Varianten dieser Lebenswünsche, wie es auch unterschiedliche Menschen gibt. Es tut mir allerdings leid wegen der Kinder, die hier so gut angekommen waren. - Was aber auch wieder mein Maßstab ist. Aber ich empfinde es trotzdem als Verlust.

Nur einige Tage später war dann große Aufregung: Das tschetschenische Ehepaar Malina Dataeva und Rizan Izayev ist mit 8 Kindern beim Ausländeramt in Nordhorn aufgetaucht und dann hierher geschickt worden, da sie vor etwa 2 Jahren schon einmal kurz am Wellkamp lebten, da aber noch mit 7 Kindern. Und jetzt sind es neun Kinder, am 6. Mai wurde Ismail Izayev Dataev im Klinikum in Nordhorn geboren, 48 cm, 2700 g (ungefähr). Mutter und Kind sind wieder wohlauf und werden in einigen Tagen zum Wellkamp zurückkehren, um dort ihre Ausweisung nach Polen abzuwarten. In der „Wartezeit" gehen die fünf Ältesten hier zur Schule und nehmen dort am Deutschunterricht teil. Mehr wäre in diesem Fall auch eine Überforderung der Kinder – wie auch der Lehrer. Wir verständigen uns mit Händen und Füßen und bruchstückhaft in Französisch, Deutsch und Italienisch. Bei Arztbesuchen konnte ich sehr erfreut die Unterstützung von Ardilan Othman, erbitten; der älteste Sohn der früher hier lebenden syrischen Flüchtlingsfamilie hat in Moskau Informatik studiert und spricht gut russisch.

Es wird für mich immer belastender, hier nur „Nothilfe auf Zeit" geben zu können. Der größte Anteil der jetzt hier in Gildehaus und Bentheim lebenden Flüchtlingsfamilien wird keine Aufenthaltsgenehmigung bekommen, da sie aus sogenannten „sicheren Herkunftsstaaten" Osteuropas kommen. Und solange die Roma in diesen „sicheren Herkunftsstaaten" weiter diskriminiert werden und keine Lebensperspektiven sehen, werden sie immer wieder in westeuropäischen Staaten ihr „Glück suchen".

In den sechziger Jahren kamen die ersten italienischen Gastarbeiter nach Deutschland, sie haben unser „Wirtschaftswunder" mit gestaltet. Ich finde, es ist an der Zeit, legale Zuwanderung in die Europäische Union zu ermöglichen, damit sogenannte „Wirtschaftsflüchtlinge" kein Geld für „Schlepper" verschwenden müssen, sondern mit einem kleinen Startkapital einreisen können, um sich Arbeit zu suchen. Armut ist kein Asylgrund – aber war immer ein Grund für Auswanderung und Zuwanderung.
Jutta Külkens

Stand 02.04.2015

Jutta Külkens
Integrationslotsin
Kuhkamp 19a
48455 Bad Bentheim

Neue Nachrichten

Zurzeit ist für mich die Situation so: Keine Nachrichten sind gute Nachrichten. Denn was so an Post bei den Familien ankommt, ist meist Werbung – oder negative Entscheide. Und da ist mir Werbung fast noch lieber, da ich über die Anschaffung der beworbenen Dinge noch diskutieren kann, bei den ankommenden Entscheiden ist es meist sinnlos, noch etwas zu unternehmen. Wir haben als Betreuer keinen Einfluss auf einzelne Entscheide, ebenso wenig wie die Vertreter der Ausländerbehörde oder des Sozialamts. Sie sind „ausführende Organe", keine Entscheider.

Vergangene Woche wurden zwei Familien nach Serbien „rückgeführt", nachdem ihre Anträge auf Asyl als „offensichtlich unbegründet" abgelehnt wurden. Und ich war froh, dass ich selbst einen Arzt-Termin hatte und Familie Antic nicht verabschieden konnte/musste. Sie waren im September 2014 hier aus Bramsche angekommen, hatten als Roma aus Serbien Asyl beantragt. Schon in Bramsche war bekannt, dass sie keinen Erfolg haben werden, da Serbien, genau wie Mazedonien und Bosnien-Herzegowina zu „sicheren Herkunftsländern" erklärt wurde.

Ich persönlich empfinde es als verantwortungsloses Spiel mit den Hoffnungen der hier ankommenden Menschen, wenn sie – für einige Tage oder Wochen – aus dem Ankunftslager noch auf die Kommunen verteilt werden. So bekommen sie den Eindruck, sie hätten eine Chance – die sie aber meist nicht haben, da sie „nur" ihr alltägliches Unglück schildern, die Diskriminierung von Roma eben: keine richtige Wohnung, deswegen keine medizinisch Versorgung, keine Arbeit, keine Möglichkeit der Kinder, geregelt zur Schule zu gehen, keine Aussicht auf Besserung. keine, keine, nichts nichts nichts für sie als Roma.

Aber es ist keine „staatliche Verfolgung", also kein Recht auf Politisches Asyl. Es ist ja nur die alltägliche Gleichgültigkeit gegenüber Menschen ohne Bildung, ohne Chance, überall.

Ist das Rassismus? Sind wir dann auch Rassisten, wenn wir hinnehmen, dass unser Staat sie nicht hier haben will?

Es geht doch nicht darum, dass z.B. Familie Antic recht anstrengend war, zänkisch, fordernd, rechthaberisch. Das war auch eine kampfbereite – und erprobte Mutter von 7 Kindern, von denen 6 hier mit ihr und ihrem Mann lebten und zumindest versuchten, die schulischen Angebote wahrzunehmen. Sie hatten keinerlei Erfahrung mit Schule, Disziplin, Ordnung, Respekt. Unsere Werte waren nicht ihre Werte. Und in der kurzen Zeit war keine Möglichkeit, ihnen die Vorteile unserer Werte zu vermitteln. Was sie wertschätzten, war die gute medizinische Versorgung vor allem der zwei Kinder mit angeborenen Herzfehlern, des Mädchens, deren Schilddrüse nicht arbeitete, den Beschwerden eines Jungen nach einer mangelhaften OP seines Klumpfußes.

Aber fehlender Zugang zu medizinischer Versorgung ist eben kein Asylgrund ......

Dass die Mutter darum kämpfte, ihren Kindern eine Chance zu verschaffen, das verstehen wir doch alle, dass sie es wieder versuchen wird, hat sie mir schon angekündigt.

Aus dem rechten Parteienspektrum stammt der Satz „Deutschland ist nicht das Welt–Sozialamt".

Was mal wieder bewiesen wurde.

Aber wenn wir die Länder Osteuropas als sichere Herkunftsländer bezeichnen, sollten unsere politischen Bemühungen auch dahin gehen, auch den dort lebenden Roma das Leben erträglich zu machen, eben „sicher".

Roma (wie auch Sinti und andere „Zigeunergruppen") wurden zuletzt während des Nationalsozialismus auch in Deutschland verfolgt und in Konzentrationslagern ermordet. Wir haben da eine Schuld abzuarbeiten. Und wenn wir ihnen hier keine sichere Heimat geben wollen, dann sollten wir, z.B. über die EU, dafür sorgen, dass ihre Herkunftsländer auch für sie sicher werden!

 

 

 



Stand 22.02.2015

Jutta Külkens

Integrationslotsin
Kuhkamp 19a
48455 Bad Bentheim

Neue Nachrichten

Zurzeit ist für mich die Situation so: Keine Nachrichten sind gute Nachrichten. Denn was so an Post bei den Familien ankommt, ist meist Werbung – oder negative Entscheide. Und da ist mir Werbung fast noch lieber, da ich über die Anschaffung der beworbenen Dinge noch diskutieren kann, bei den ankommenden Entscheiden ist es meist sinnlos, noch etwas zu unternehmen. Wir haben als Betreuer keinen Einfluss auf einzelne Entscheide, ebenso wenig wie die Vertreter der Ausländerbehörde oder des Sozialamts. Sie sind „ausführende Organe", keine Entscheider.
Vergangene Woche wurden zwei Familien nach Serbien „rückgeführt", nachdem ihre Anträge auf Asyl als „offensichtlich unbegründet" abgelehnt wurden. Und ich war froh, dass ich selbst einen Arzt-Termin hatte und Familie Antic nicht verabschieden konnte/musste. Sie waren im September 2014 hier aus Bramsche angekommen, hatten als Roma aus Serbien Asyl beantragt. Schon in Bramsche war bekannt, dass sie keinen Erfolg haben werden, da Serbien, genau wie Mazedonien und Bosnien-Herzegowina zu „sicheren Herkunftsländern" erklärt wurde.
Ich persönlich empfinde es als verantwortungsloses Spiel mit den Hoffnungen der hier ankommenden Menschen, wenn sie – für einige Tage oder Wochen – aus dem Ankunftslager noch auf die Kommunen verteilt werden. So bekommen sie den Eindruck, sie hätten eine Chance – die sie aber meist nicht haben, da sie „nur" ihr alltägliches Unglück schildern, die Diskriminierung von Roma eben: keine richtige Wohnung, deswegen keine medizinisch Versorgung, keine Arbeit, keine Möglichkeit der Kinder, geregelt zur Schule zu gehen, keine Aussicht auf Besserung. keine, keine, nichts nichts nichts für sie als Roma.
Aber es ist keine „staatliche Verfolgung", also kein Recht auf Politisches Asyl. Es ist ja nur die alltägliche Gleichgültigkeit gegenüber Menschen ohne Bildung, ohne Chance, überall.
Ist das Rassismus? Sind wir dann auch Rassisten, wenn wir hinnehmen, dass unser Staat sie nicht hier haben will?
Es geht doch nicht darum, dass z.B. Familie Antic recht anstrengend war, zänkisch, fordernd, rechthaberisch. Das war auch eine kampfbereite – und erprobte Mutter von 7 Kindern, von denen 6 hier mit ihr und ihrem Mann lebten und zumindest versuchten, die schulischen Angebote wahrzunehmen. Sie hatten keinerlei Erfahrung mit Schule, Disziplin, Ordnung, Respekt. Unsere Werte waren nicht ihre Werte. Und in der kurzen Zeit war keine Möglichkeit, ihnen die Vorteile unserer Werte zu vermitteln. Was sie wertschätzten, war die gute medizinische Versorgung vor allem der zwei Kinder mit angeborenen Herzfehlern, des Mädchens, deren Schilddrüse nicht arbeitete, den Beschwerden eines Jungen nach einer mangelhaften OP seines Klumpfußes.
Aber fehlender Zugang zu medizinischer Versorgung ist eben kein Asylgrund ......
Dass die Mutter darum kämpfte, ihren Kindern eine Chance zu verschaffen, das verstehen wir doch alle, dass sie es wieder versuchen wird, hat sie mir schon angekündigt.
Aus dem rechten Parteienspektrum stammt der Satz „Deutschland ist nicht das Welt–Sozialamt".
Was mal wieder bewiesen wurde.
Aber wenn wir die Länder Osteuropas als sichere Herkunftsländer bezeichnen, sollten unsere politischen Bemühungen auch dahin gehen, auch den dort lebenden Roma das Leben erträglich zu machen, eben „sicher".
Roma (wie auch Sinti und andere „Zigeunergruppen") wurden zuletzt während des Nationalsozialismus auch in Deutschland verfolgt und in Konzentrationslagern ermordet. Wir haben da eine Schuld abzuarbeiten. Und wenn wir ihnen hier keine sichere Heimat geben wollen, dann sollten wir, z.B. über die EU, dafür sorgen, dass ihre Herkunftsländer auch für sie sicher werden!

Stand 08.10.2014

Elend an unseren Grenzen

Zur Zeit frage ich mich jeden Abend, womit ich es eigentlich verdient habe, in diesem reichen und sicheren Staat zu leben! Durch all die Geschichten und kleinen Erlebnisse die ich mit den jetzt hier lebenden Flüchtlingsfamilien erfahre, wird mir immer stärker bewusst, wie privilegiert ich doch bin! Ich erlebe die Krankenversicherung als etwas Selbstverständliches, meckere höchstens mal über Leistungsausschlüsse .....

Dabei erlebe ich bei einer seit Kurzem am Romberg lebenden Flüchtlingsfamilie, einem Ehepaar mit 6 mit ihnen lebenden Kindern, wie tragisch und menschenverachtend Volksgruppe, Armut und Gesundheit miteinander verbunden sind.

Frau Liljana Gavur und ihr Ehemann Dragan Antic und ihre sechs Kinder zwischen einem und 18 Jahren sind Roma aus Serbien. Sie lebten dort unter unwürdigsten Zuständen, ohne Arbeit, ohne medizinische Versorgung. Die neunjährige Tochter Mariana hat seit ihrer Geburt eine Unterfunktion der Schilddrüse, wegen fehlender medizinischer Behandlung ist sie nun im Wachstum zurückgeblieben, ihre Schilddrüse arbeitet gar nicht mehr, sie bekommt hier jetzt Medikamente, wird aber ihr Leben lang kleinwüchsig bleiben. Ihr 3-jähriger Bruder hat eine operierte Fehlstellung seines linken Fußes, wir haben für November einen Termin in der orthopädischen Kinderklinik. Die Schwestern Gordana, 1 Jahr, und Aleksandra, sie ist 16 Jahre, haben beide einen Herzfehler, der behandelt werden muss. Heute bekam ich ca. 40 Seiten medizinische Gutachten in serbischer Sprache, für die ich nun eine bezahlbare Übersetzung suche, da die Krankenversorgung von Asylbewerbern nur „lebenserhaltende und schmerzstillende Leistungen" beinhaltet. Ich bin schon sehr froh, dass das Sozialamt Bentheim diese Regelung immer recht großzügig auslegt, aber diese Übersetzungen sind da nicht mehr tragbar.

Und ich verstehe die Beweggründe dieser Familie sehr gut, in einem Land leben zu wollen, wo ihnen ein Leben in Würde und Gleichberechtigung möglich ist, wo sie Zugang zu Schulen, Arbeitsmarkt und medizinischer Versorgung haben, wo sie eine Zukunftsperspektive für sich und ihre Kinder sehen.

Vier Kinder gehen zur Schule – resp. fahren mit dem Fahrrad.Für den 3-jährigen Nebojsza bemühe ich mich um einen Kindergartenplatz, das wäre so wichtig zum Erlernen der Sprache und dem Leben in einer Gruppe außerhalb der Familie.

Und immer wieder und immer noch suche ich Freiwillige, die Zeit und Hilfe zur Verfügung stellen und ein bis zwei mal wöchentlich Deutsch – Unterricht geben wollen, an wirklich Lernwillige, von Eltern bis zum Kindergartenkind, am Romberg oder am Wellkamp.

Rufen Sie mich an, wir machen dann einen Termin zum Kennenlernen! 05924 – 1237

Frieden, Schalom & Salam der ganzen Welt,

Jutta Külkens

Stand 26.09.2014

Wirtschaftsflüchtlinge?????

Seit Anfang August ist am Wellkamp die dritte Wohnung des Hauses von einer albanischen Familie bezogen worden, es sind Frau Luljeta Misha, ihr Ehemann Genci Misha und die beiden Söhne Vandam, 15 Jahre und Erxhan, er ist gerade 6 Jahre alt. Vandam bekam sehr schnell eine akute Blinddarmentzündung und wurde in Nordhorn operiert. Er wurde kurz nach Beginn des Schuljahrs als geheilt entlassen und geht nun hier in die Hauptschule, erst mal in die 7.Klasse.

Da er aber in Albanien keine Schule besuchte, haben die zuständigen Lehrer wie auch Vandam selbst einige Probleme zu bewältigen. Alphabetisierung in einer ihm fremden Sprache, Buchstaben und Zahlen erlernen, das ist für einen fünfzehnjährigen Jungen gewiss eine große Aufgabe, wenn er bisher keinen Schulbesuch kannte. Sein kleiner Bruder Erxhan erlebt das gerade auch im Vorschulkindergarten. Er kannte keinen Kindergarten und erlebt jetzt tränenreiche Zeiten der ungewohnten Trennung von seiner Familie, dem einzig Vertrauten in der ihm hier fremden Welt, in der er kein Wort versteht.

Die Eltern gehören zur Volksgruppe der Roma, in Albanien lebten sie vom Betteln, selber ohne Schulbildung, ohne Beruf, ohne Arbeit. Ohne Chance einer Veränderung für ihre Kinder. Sie stellten in Deutschland einen Asylantrag, da sie hier die Möglichkeit sahen, ihren Kindern durch den kostenlosen Schulbesuch bessere Chancen auf einen Platz in der Gesellschaft zu ermöglichen. In einem Land ohne Krankenversicherung, wo jede medizinische Behandlung bar bezahlt werden muss, wo noch Schulgeld verlangt wird – wo sie aber als Roma abgelehnt werden, keine bezahlte Arbeit bekommen, können sie aus dieser wirklich die Menschenrechte verletzenden Situation mit eigener Kraft nicht herauskommen. Ob ihre Asylgründe hier anerkannt werden, ist sehr ungewiss. Die Verfolgung und Missachtung von Roma in ihren Herkunftsländern wird im europäischen Asylrecht überhaupt nicht wahrgenommen, und es ist in den einzelnen Fällen auch schwer zu beweisen. Aber ist es nicht verständlich, wenn Eltern in ein Land ziehen wollen, in dem ihren Kindern bessere Lebenschancen geboten werden?

Frau Misha hat sich auch noch nicht so richtig daran gewöhnt, dass sie hier finanzielle Unterstützung vom Sozialamt bekommen – und das regelmäßig! Ab und zu verfällt sie noch in ihre alte Gewohnheit des Bettelns. Dass sie dazu keinen Grund mehr hat, dass jetzt regelmäßige Zahlungen kommen, versuche ich ihr immer wieder verständlich zu machen – mit Händen und Füßen und Wörterbuch, mit Hilfe von schon länger hier lebenden Albanern und Serben.

Ich suche – wirklich dringend – helfende Menschen, die bereit sind, einfachen Deutschunterricht zu geben, ehrenamtlich! Wenn Sie Zeit haben und diesen wirklich notwendigen Unterricht geben möchten, rufen Sie mich an, wir machen dann mal einen Kennenlern – Termin!

Danke!
Jutta Külkens

Stand 04.08.2014

„Recht" und „Gesetz" oder „Menschenrecht" und „Menschenwürde"

Seit März dieses Jahres lebt nun Familie Bojkovic / Osmani in einer der Wohnungen am Wellkamp. Sie beginnen langsam, sich ein Heim zu schaffen, die Kinder gehen gerne und ohne Angst zur Schule. Der Mann ist Anstreicher und Dekorateur und würde schrecklich gerne arbeiten – wenn die gesetzlichen Bestimmungen es nicht untersagten. Frau Bojkovic ist depressiv, leidet unter Schlaflosigkeit, sie ist schwer traumatisiert nach ihren bisherigen Erfahrungen als Roma-Frau im Kosovo und später in Serbien.

Anfang Juli bekamen sie Nachricht vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, dass ihr Asylantrag als „offensichtlich unbegründet" abgelehnt wurde. Nach Rücksprache mit der Migrationsberatung der Diakonie in Nordhorn und auch einem Fachanwalt für Flüchtlingsrechte hat sich die Familie entschlossen, eine „freiwillige Rückkehr" nach Serbien zu betreiben, hauptsächlich aus der Angst heraus, sonst des nachts mit Polizeigewalt aus der Wohnung geholt zu werden. Wir bemühen uns nun gemeinsam, alle notwendigen Reise- und Ausweispapiere zu besorgen. Die Kontakte zum serbischen Generalkonsulat und die briefliche Kontaktaufnahme mit für Bürger des Kosovo zuständigen Behörden in Serbien sind anstrengend, unergiebig und weiter deprimierend.

Die Familie als Angehörige der Volksgruppe der Roma lebte im Kosovo und auch in Serbien in unbeschreiblich primitiven Verhältnissen. Der Mann ist Diabetiker und kam nur sporadisch an Insulin, die Frau hat größte Schlafprobleme, die Kinder waren teils an Hepatitis erkrankt und alle vier total verängstigt. Angehörige der Roma sind in beinahe allen osteuropäischen Ländern „Menschen zweiter Klasse"; was ich über in Serbien lebende Roma gehört und gelesen habe, erschüttert mich sehr. Aber Serbien gehört nach Beschluss des Bundestages zu den „sicheren Herkunftsländern". Ich habe noch die ganz winzige Hoffnung, dass der Bundesrat nach der Sommerpause anders abstimmt – Osmanis wären so erleichtert und froh, doch hier bleiben zu dürfen und wären gewiss sehr bereit, sich gut einzuleben, zu „integrieren" mit allen ihren Kräften.

In der Europäischen Menschenrechtskonvention steht irgendwo im 4. Protokoll, „jedem Menschen steht es frei, seinen Wohnsitz zu wählen – in seinem Heimatland, oder dieses zu verlassen".

Manchmal denke ich schon, dass Menschenrechte hauptsächlich für Touristen gelten, oder für gut ausgebildetes Fachpersonal, welches uns hier sonst fehlte.

Und dann „tanke" ich doch immer wieder Hoffnung, vielleicht sonntags mit dem Lied:

Fürchte dich nicht, gefangen in deiner Angst, mit der du lebst.

Fürchte dich nicht, gefangen in deiner Angst. Mit ihr lebst du.

Fürchte dich nicht, getragen von seinem Wort, von dem du lebst.

Fürchte dich nicht, getragen von seinem Wort. Von ihm lebst du.

Fürchte dich nicht, gesandt in den neuen Tag, für den du lebst.

Fürchte dich nicht, gesandt in den neuen Tag. Für ihn lebst du.

Schalom & Salam, uns hier und der ganzen Welt!

Jutta Külkens

Stand 01.06.2014

Wieder neue Gäste am Wellkamp

Seit ca. zwei Wochen wohnt jetzt auch Familie Dapi am Wellkamp. Sie kommen aus Albanien und hoffen nach unerfreulichen Erlebnissen in der Heimat hier ein Leben in Sicherheit führen zu können. Herr Bajram Dapi ist gerade 30 Jahre geworden und von Beruf Busfahrer, seine Frau Antjana ist 26 Jahre und Krankenschwester. Sie haben zwei gemeinsame Kinder. Für den fünfjährigen Sohn Roan suchen wir einen Kindergartenplatz,

seine winzige Schwester Ayla ist gerade mal 8 Monate alt und lässt sich quietschvergnügt vom Papa in einer Art Rucksack durch ihre (noch) kleine Welt tragen. Die Eltern würden am liebsten noch heute eine Arbeit anfangen, nur bekommen sie während ihres Asylverfahrens keine Arbeitserlaubnis. Besonders Antjana Dapi vermisst ihre in Albanien lebenden Familienmitglieder, sie war die häufigen Kontakte zur großen Familie und auch zu Berufskollegen gewohnt und fühlt sich doch oft einsam, trotz der freundlichen Nachbarschaft mit der kosovarischen Nachbarsfamilie Osmani, mit denen sie sich auch sprachlich sehr gut verständigen können. Antjana Dapi spricht auch etwas Englisch, was mir wiederum die Verständigung mit allen Hausbewohnern erleichtert.

Jutta Külkens

Stand 01.04.2014

 

In Sachen Othman

...... Ich lobe meinen Gott, der aus der Tiefe mich holt, damit ich lebe

ich lobe meinen Gott, der mir die Fesseln löst, damit ich frei bin ......

Gute und frohe Nachricht!

Familie Othman darf bleiben! Vor ca. 4 Wochen bekamen sie Nachricht vom Bundeamt für Migration und Flüchtlinge, dass im Auftrag der Regierung hier in Deutschland (und nicht in Italien !!!)...

...das Asylverfahren Othman durchgeführt wird. Wir mussten dann eine schriftliche Aussage über die Fluchtgründe verfasssen und beim Schreiben erfuhr ich dann teils erschreckende Einzelheiten, über die nie gesprochen wurde. Die Berichte waren so überzeugend, dass die Familie nicht mehr zur mündlichen "Anhörung" eingeladen wurde. Und vergangenen Donnerstag bekam ich dann einen Anruf vom Ausländeramt Nordhorn, dass sich die gesamte Familie Montag mit Passbildern dort melden sollte. Nach zwei Stunden hatten sie dort alle notwendigen Formulare ausgefüllt und bekamen einen Bogen "Vorläufige Aufenthaltserlaubnis" in die Hand - und in 3 -4 Wochen sind dann die neuen Pässe fertig! Auf dem Blatt Papier steht als Wesentliches : Aufenthaltserlaubnis nach §25, Artikel 2(das ist eine Anerkennung als politischer Flüchtling) für 3 Jahre, Arbeitserlaubnis,, keine Wohnsitzauflage mehr, auch als internationaler Reisepass gültig - das ist ine Anerkennung "erster Klasse" - "vom Feinsten"! Die ganze Heimfahrt war nur Lachen und Freude, riesengroße Erleichterung.

Und auch ich bin froh und erleichtert - seit dem Gerichtsurteil in Osnabrück war ich doch manchmal verzweifelt - ohne es zeigen zu dürfen. Die beiden Mädels hatten wieder Schlafprobleme, das Gesundheitsamt lehnte eine Therapie für beide ab - aber jetzt hat sich alles zum Guten gewendet. Und ich bedanke mich, auch im Namen der Familie Othman, nochmals von ganzem Herzen für die vielfältige Unterstützung, die immer wieder aus der Gemeinde kam, Stärkung und neue Kraft gab! Danke dafür.

............... Ehre sei Gott und den Menschen Frieden,Frieden auf Erden. (EG 673)

Glücklich und dankbar,

Familie Othman und Jutta Külkens

 

Stand 26.03.2014

Sachen Othman

Gericht? – Recht? - Gerechtigkeit?

Meistens schreibe ich gerne, berichte von den kleinen und größeren Geschehnissen aus dem Leben der verschiedenen Flüchtlingsfamilien, die ich hier begleite, kommen - und in letzter Zeit auch vermehrt gehen sehe.

Aber so schwer wie jetzt fiel es mir noch nie – vielleicht konnte ich einen Gerichtsentscheid noch nie so wenig verstehen, fand ihn noch nie so inhuman, ungerecht – da wurde nicht Recht gesprochen, das ist für mich Unrecht ....

Am vergangenen Montag, 20. Januar 2014, fuhr ich mit Othmans zu ihrem Gerichtstermin beim Verwaltungsgericht Osnabrück. Sie hatten im Januar 2013 Klage eingereicht gegen die Bundesrepublik Deutschland , Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, um nicht nach Italien „rückgeführt" (heißt wirklich so!) zu werden. Nach EU – Recht müssen Flüchtlinge in dem Land, in dem sie europäischen Boden zuerst betraten, Asyl beantragen. Othmans sind 2011 von Italien kommend in Deutschland eingereist, um hier fern vom Krieg in ihrer Heimat Syrien mit schon lange hier lebenden Verwandten zu leben. Sie lebten 2 Monate in Braunschweig und anschließend 10 Monate in Bramsche, jeweils dort in Flüchtlingslagern, zwei Termine zur „Rückführung" wurden vom Bundesamt nicht wahrgenommen, sie wurden – in Kenntnis der Einreise über Italien – hier nach Gildehaus „überstellt". Die Kinder gehen hier zur Schule ( mit gerade sehr guten Halbjahrs-Zeugnissen!), die Eltern besuchen Sprachkurse, es macht soviel Freude, mit ihnen zusammen zu sein, ihre endlosen Fragen zu beantworten, unsere Umwelt mal aus deren Blickwinkel zu betrachten. Sich manchmal Stunden über Politik, über Zukunft der Welt, auch über Gemeinsamkeiten unserer verschiedenen Religionen zu unterhalten. Die Kinder gehen gerne zur Schule, sind in ihren Klassen beliebt – und bei den Lehrern auch, was ich so bei Elternsprechtagen hörte.

Das EU-Recht „Dublin II", auf Grund dessen sie nach Italien zurück sollten, wurde im September vergangenen Jahres ergänzt durch die Verordnung „Dublin III", die Deutschland, als Beispiel, ermöglicht, Asylverfahren „an sich zu ziehen, falls es aus humanitären Gründen notwendig ist". Das Gesetz trat am 1.1.2014 in Kraft, und als wir am 20.1. nach Osnabrück fuhren, hofften wir, endlich hier in Deutschland Asyl beantragen zu dürfen. Das Gericht bestand aus einer vorsitzenden Richterin, zwei beigeordneten Richtern und zwei ehrenamtlichen Schöffen. Während des zweistündigen Verfahrens wurden nur Texte verlesen, Paragraphen zitiert, dann zogen sich die Fünf zur Beratung zurück und die Richterin verkündete das Urteil. Da Othmans im Jahr 2013, noch zur Zeit der Gültigkeit des „Dublin II"-Abkommens, gegen ihre „Rückführung" geklagt haben, wird nach dem damals geltenden Recht geurteilt, die Familie muss nach Italien „überstellt" werden..In den anschließenden Erläuterungen meinte die Richterin lächelnd, Othmans würden sehen, was für ein schönes Land Italien doch sei. Und da sie ja in Deutschland schon so gut integriert seien, würde es ihnen in Italien gewiss genau so leicht fallen. Immer lächelnd ....

Othmans Anwalt hat sofort Widerspruch erhoben, jetzt warten wir auf eine Fortsetzung. Italien kennt keine Sozialleistungen für Flüchtlinge, es gibt wohl Zeltlager, zeitlich begrenzt auf 6 Wochen, dann Obdachlosigkeit, keine Kontaktadressen, keine Arbeitsmöglichkeit, weder Sprachkurse noch medizinische Versorgung.

Die beiden Töchter, Heiv und Rohan, sind wieder total verunsichert. Sie können kaum schlafen, haben Angstträume, fangen wieder an, schlafzuwandeln. Der Hausarzt hat Überweisungen zur Psychotherapie ausgestellt, jetzt warten wir noch auf die Genehmigung des Landkreises.

Am Mittwoch die Halbjahrs – Zeugnisse waren so erfreulich, aber richtig freuen können wir uns alle nicht. Wenn nur endlich diese Unsicherheit weg wäre ...

Etwas hilflos, aber immer noch hoffend

Jutta Külkens

Stand 31.01.2014

In Sachen Othman

Gericht? – Recht? - Gerechtigkeit?

Meistens schreibe ich gerne, berichte von den kleinen und größeren Geschehnissen aus dem Leben der verschiedenen Flüchtlingsfamilien, die ich hier begleite, kommen - und in letzter Zeit auch vermehrt gehen sehe.
Aber so schwer wie jetzt fiel es mir noch nie – vielleicht konnte ich einen Gerichtsentscheid noch nie so wenig verstehen, fand ihn noch nie so inhuman, ungerecht – da wurde nicht Recht gesprochen, das ist für mich Unrecht ....
Am vergangenen Montag, 20. Januar 2014, fuhr ich mit Othmans zu ihrem Gerichtstermin beim Verwaltungsgericht Osnabrück. Sie hatten im Januar 2013 Klage eingereicht gegen die Bundesrepublik Deutschland , Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, um nicht nach Italien „rückgeführt" (heißt wirklich so!) zu werden. Nach EU – Recht müssen Flüchtlinge in dem Land, in dem sie europäischen Boden zuerst betraten, Asyl beantragen. Othmans sind 2011 von Italien kommend in Deutschland eingereist, um hier fern vom Krieg in ihrer Heimat Syrien mit schon lange hier lebenden Verwandten zu leben. Sie lebten 2 Monate in Braunschweig und anschließend 10 Monate in Bramsche, jeweils dort in Flüchtlingslagern, zwei Termine zur „Rückführung" wurden vom Bundesamt nicht wahrgenommen, sie wurden – in Kenntnis der Einreise über Italien – hier nach Gildehaus „überstellt". Die Kinder gehen hier zur Schule ( mit gerade sehr guten Halbjahrs-Zeugnissen!), die Eltern besuchen Sprachkurse, es macht soviel Freude, mit ihnen zusammen zu sein, ihre endlosen Fragen zu beantworten, unsere Umwelt mal aus deren Blickwinkel zu betrachten. Sich manchmal Stunden über Politik, über Zukunft der Welt, auch über Gemeinsamkeiten unserer verschiedenen Religionen zu unterhalten. Die Kinder gehen gerne zur Schule, sind in ihren Klassen beliebt – und bei den Lehrern auch, was ich so bei Elternsprechtagen hörte.
Das EU-Recht „Dublin II", auf Grund dessen sie nach Italien zurück sollten, wurde im September vergangenen Jahres ergänzt durch die Verordnung „Dublin III", die Deutschland, als Beispiel, ermöglicht, Asylverfahren „an sich zu ziehen, falls es aus humanitären Gründen notwendig ist". Das Gesetz trat am 1.1.2014 in Kraft, und als wir am 20.1. nach Osnabrück fuhren, hofften wir, endlich hier in Deutschland Asyl beantragen zu dürfen. Das Gericht bestand aus einer vorsitzenden Richterin, zwei beigeordneten Richtern und zwei ehrenamtlichen Schöffen. Während des zweistündigen Verfahrens wurden nur Texte verlesen, Paragraphen zitiert, dann zogen sich die Fünf zur Beratung zurück und die Richterin verkündete das Urteil. Da Othmans im Jahr 2013, noch zur Zeit der Gültigkeit des „Dublin II"-Abkommens, gegen ihre „Rückführung" geklagt haben, wird nach dem damals geltenden Recht geurteilt, die Familie muss nach Italien „überstellt" werden..In den anschließenden Erläuterungen meinte die Richterin lächelnd, Othmans würden sehen, was für ein schönes Land Italien doch sei. Und da sie ja in Deutschland schon so gut integriert seien, würde es ihnen in Italien gewiss genau so leicht fallen. Immer lächelnd ....
Othmans Anwalt hat sofort Widerspruch erhoben, jetzt warten wir auf eine Fortsetzung. Italien kennt keine Sozialleistungen für Flüchtlinge, es gibt wohl Zeltlager, zeitlich begrenzt auf 6 Wochen, dann Obdachlosigkeit, keine Kontaktadressen, keine Arbeitsmöglichkeit, weder Sprachkurse noch medizinische Versorgung.
Die beiden Töchter, Heiv und Rohan, sind wieder total verunsichert. Sie können kaum schlafen, haben Angstträume, fangen wieder an, schlafzuwandeln. Der Hausarzt hat Überweisungen zur Psychotherapie ausgestellt, jetzt warten wir noch auf die Genehmigung des Landkreises.
Am Mittwoch die Halbjahrs – Zeugnisse waren so erfreulich, aber richtig freuen können wir uns alle nicht. Wenn nur endlich diese Unsicherheit weg wäre ...

Etwas hilflos, aber immer noch hoffend
Jutta Külkens

Stand 04.12.2013

Aktuelles von den Flüchtlingsfamilien

Es ist viel los …...

Seit Mitte November ist die freie Wohnung am Wellkamp wieder bewohnt. Eine junge Familie mit drei Kindern aus Bosnien ist eingezogen. Die Tochter Adna ist acht Jahre alt und geht seit ein paar Tagen ganz begeistert in die zweite Klasse der Grundschule hier, ihr jüngerer Bruder Edin ist gerade mal sechs Jahre und geht vergnügt in den Vorschul-Kindergarten....

...Irma ist jetzt gerade mal vier Monate alt. Die sprachliche Verständigung ist sehr schwierig, sie alle verstehen fast kein Wort deutsch, und ich kann halt weder serbokroatisch noch bosnisch noch romanes. Aber irgendwie, mit Wörterbuch und Händen und Füßen klappt zumindest ein geringer Informationsaustausch. Wie lange Farfulic hier leben werden, ist völlig unsicher. Bosnien gilt als „sicheres Herkunftsland“, allerdings gehört die Familie zu der europaweit verfolgten Minderheit der „Roma“, vielleicht gibt es da eine kleine Chance, zumindest hier in Würde zu leben.

 

Die zahlreiche tschetschenische Familie, die jetzt knapp drei Monate hier lebte, ist seit dem Wochenende still und unauffällig verschwunden, abgereist, abgetaucht, weitergewandert. Da wandert ein Ehepaar mit sieben Kindern quer durch Europa, wurzellos, bindungslos, aber überlebenstüchtig. Es ist oft schwer zu erkennen, ob sie weiterwandern, weil sie sich in ihrem „Anders-Sein“ nicht angenommen fühlen – oder ob sie sich überhaupt nicht an unsere Regeln anpassen wollen und deswegen nicht bleiben. Es ist recht schwer, in doch kurzer Zeit eine vertrauensvolle Beziehung auszubauen, aber doch noch so etwas wie ein Privatleben zu behalten.

Eine viel bessere Entwicklung nimmt die Situation der syrischen Familie Othman. Im Januar sind sie aufgefordert, ihre Fluchtgründe vor dem Oberverwaltungsgericht Osnabrück zu schildern. Das bedeutet, dass die EU-Richtlinie, die im Juli neu formuliert wurde, in ihrem Fall so ausgelegt wird, dass ihr Asylantrag von Deutschland aus bearbeitet werden wird. Sie werden also nicht nach Italien zurückgeschickt! Und eine Anerkennung ihres Asyl-Gesuchs als verfolgte Kurden in Syrien ist durchaus möglich. Die ganze Familie ist schon so gut hier angekommen, die Eltern sind stolz auf die schulischen Erfolge ihrer Kinder.

Und auch ich bin froh und dankbar, für die vielfältige Unterstützung, die immer wieder bei mir ankommt für „meine“ Flüchtlinge! Ob das Kartons voll Kinderkleidung und Spielzeug aus dem Kindergarten sind, dann wieder ein Fahrrad, Wäsche, Porzellan, großzügige Geldspenden, auch durch Vermittlung der Katholischen Gemeinde in Bentheim, die Busfahrkarten zu den Sprachkursen von der Reformierten Gemeinde – all das zeigt immer wieder, dass wir das urchristliche Teilen und Helfen nicht vergessen haben, dass wir Diakonie in Notfällen wörtlich nehmen!

Mein Dank geht an Alle, die die hier Gestrandeten mit auffangen, unterstützen, auch stärken durch Fürbitte und Gebet.
Jutta Külkens

Stand 04.11.2013

Aktuelles von den Flüchtlingsfamilien

Familie Sadikay lebte knapp drei Monate bei uns in Gildehaus. Sie kamen aus Albanien nach Deutschland, nachdem sie von deutschen Touristen regelmäßig gehört hatten, dass das Leben in Deutschland sicherer ist, die Polizei nicht korrupt ist, der Schulbesuch kostenlos ist. Da sie mit ihrer albanischen Großfamilie in sehr schwierigen und gewalttätigen Auseinandersetzungen verwickelt waren und Angst um das eigene und das Leben ihrer Kinder hatten, ...

...kamen sie nach Deutschland, um hier in Frieden zu leben. Bei der Ankunft hatten sie keine Visa, sondern erbaten Asyl „wegen der gewalttätigen Verfolgung“ in ihrer Familie. Nach 4 Wochen im Aufnahmelager Bramsche wurden sie nach Bad Bentheim „umverteilt“, um hier das Ergebnis ihres Asylantrags abzuwarten. Nach 6 Wochen bekamen sie den ablehnenden Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF), danach warteten sie noch weitere 6 Wochen am Wellkamp, bis ihre „Rückführung“ organisiert war. Sie waren gedrückt, unglücklich, isoliert, es war für sie ein kurzer Blick ins „Schlaraffenland“ - nur eben nicht für sie bestimmt.

Der Rechtsanwalt, ein Fachanwalt für Asylfragen, sah nicht die geringste Chance, ein Aufenthaltsrecht zu erstreiten. Ich fuhr sie zum „Brotkorb“ in Bentheim, zur Kleiderkammer in Nordhorn, begleitete zu Ärzten – immer mit einem Albanisch – Wörterbuch in der Hand. Die Kinder gingen nur 2-3 Wochen zur Schule, danach saß die ganze Familie nur noch „zuhause“ am Wellkamp herum. Am 30. Oktober habe ich sie verabschiedet, viele Tränen gesehen und nicht trösten können. Ich kann kein Albanisch, Sadikays nur einige Redewendungen auf deutsch. Was ich ihnen hätte vermitteln wollen, konnte ich nicht. Wie sie  die Auseinandersetzungen mit ihren Familienangehörigen in „friedlicher“ gewaltfreier Form führen können, dazu fehlten mir die Sprachkenntnisse – und die Zeit. Streitkultur ist in allen Kulturen unterschiedlich, aber doch überall erlernbar, wenn man denn in Frieden miteinander leben will, weil man halt miteinander leben muss. Sadikays sind wieder fort, mir bleibt ein schlechter Geschmack im Mund. Tatenlos, weil hilflos.

Seit Anfang Oktober wohnt auch eine aus neun Personen bestehende Familie aus Tschetschenien am Wellkamp. Es sind die Mutter Malika Dataeva mit ihren fünf Kindern aus erster Ehe. Der Vater kam bei den andauernden kriegsähnlichen Zuständen in ihrem Heimatland ums Leben, woraufhin sie mit der Tochter Madina Ibraginova, 13. Jahre, den Zwillingen Khava, einem Mädchen, und Adam Ibragimov, 12 Jahre, Laura Ibragimova, 8 Jahre und Aziza, 6 Jahre, nach Polen flüchtete. Dort  heiratete sie einen kriegsverletzten Tschetschenen,Rizvan Izayev, und sie wanderten zusammen weiter nach Frankreich. Dort wurden die Zwillingsbrüder Abdul Rahim und Abdul Rohman Izayev geboren. Sie lebten 2 Jahre in Frankreich, wanderten dann weiter nach Belgien und schließlich nach Deutschland. Sie  sind aus dem Aufnahmelager Bramsche wieder nach Bentheim zugewiesen worden, haben aber absolut keine Chance, hier einen Aufenthaltstitel zu bekommen. Sie werden hier nur „zwischen- geparkt“, bis das BAMF entschieden hat, ob sie über Belgien und Frankreich nach Polen „zurück-geführt“ werden, oder direkt nach Polen. Oder ob die Geburt des Babys im April abgewartet wird. Aber nach Polen zurück müssen sie auf jeden Fall. Es ist das erste Land, in dem sie EU-Boden betreten haben Bis zum Entscheid sind die Kinder hier schulpflichtig. Madina ist in Grozny/Tschetschenien 1 Jahr zur Schule gegangen, Khava und Adam kurz in Polen, in Frankreich gab es keinen Schulbesuch, zu Belgien bekomme ich keine eindeutigen Aussagen. Aber ich kann mich über die Kinder ganz gut auf französisch verständigen, was auch bei Arztbesuchen wichtig ist. Khava bekam einen Zahn gezogen, eine recht anstrengende Aktion, wo Sprechstundenhilfe und Mutter das Mädel festhalten mussten., die dann abschließend sagte, sie hätte dem Zahnarzt gerne einen Finger abgebissen, sich aber nicht getraut....... und jetzt will sie sich noch einen Zahn ziehen lassen! Ich habe ihr einen Termin besorgt unter der Bedingung, dass sie nicht beißt. Zahnschmerzen und Angst vor dem Zahnarzt sind doch international ….... Seit vergangenem Mittwoch gehen die vier Ältesten hier zur Schule, was wohl für Lehrer und Mitschüler eine Herausforderung ist. Die vier Fremden sollen sich ins Schulsystem einfügen, Lernwillen zeigen, sich nicht nur auf dem Schulgelände aufhalten. Aber sie haben in ihrem bisherigen Leben so etwas wie Regelmaß, Disziplin, Autorität nur wenig erlebt, sie werden es schwer haben, ein richtiges Maß an Toleranz brauchen.

Von der syrischen Familie Othman ist recht erfreuliches zu berichten. Die Eltern besuchen jetzt einen Sprachkurs der VHS, der vom Migrationsdienst der Diakonie finanziert wird, die Busfahrkarten hat die Ev-.ref .Kirchengemeinde übernommen. Sie sind sehr froh, jetzt intensiver Deutsch lernen zu können. Der Sohn Dilar besucht die  Kaufmännische Berufsfachschule in Nordhorn. In seiner Klasse hat er gute Kontakte, war zum ersten Mal in einer Disco (mit 20 Jahren!), gestern zum Schlittschuh – Laufen in Nordhorn.Für die Tochter Rohan gehe ich nächste Woche mit dem Vater zum Elternsprechtag der Realschule. Sie findet, dass sie Probleme in Englisch hat. Da sie sehr ehrgeizig ist, bin ich neugierig auf die Aussage der Lehrerin.Sie hat inzwischen zwei beste Freundinnen in der Klasse . Heiv geht hier in Gildehaus zur Hauptschule, sie mag alle Fächer, spielt gerne Theater und mag besonders die Tanz – AG. Sie sind alle „gut angekommen“. Wir warten aber immer noch auf den Termin beim Oberverwaltungsgericht Osnabrück, wo ihr Einspruch gegen eine Rückführung nach Italien wohl noch auf einem Schreibtisch ruht.

Dies EU-Recht, nachdem Flüchtlinge in dem Staat Europas Asyl beantragen müssen, in dem sie europäischen Boden zuerst betreten, ist vielleicht logisch, aber ich empfinde es als inhuman, realitätsfern, erlassen von Menschen ohne Erleben der vielfältigen Realität. Die Randstaaten Europas verfügen zum Teil nicht über funktionierende Sozialsysteme, sodass ankommende Flüchtlinge (zum Beispiel) 2 Wochen im Hotel untergebracht werden und danach auf der Straße landen. Und das in einem fremden Land, dessen Sprache sie kaum verstehen, wo sie keine Kontakte haben. Wo ihnen das Gesetz verbietet, in ein Land ihrer Wahl weiter zu reisen, zu Verwandten oder Freunden, wo sie aber auch wegen fehlender Sprachkenntnisse sich nicht selbst erhalten können, . Was teils auch verboten ist.

Die „Ausländerpolitik“ sollte ganz neu entwickelt werden. Es geht nicht um aktuelles „Besitzstand – wahren“ - wir müssen auch mal an die Zukunft denken. Wanderbewegungen hat es immer gegeben, schon vor dem Beginn der Geschichtsschreibung, nur diese Reglementierung ist ein unglückliches Ergebnis unserer Kultur. Wir öffnen unsere Grenzen leider nur in eine Richtung: zum Export von Waren – auch Waffen! Wer vor den Folgen dieser Waren – und Waffenlieferungen hierher fliehen will, wird abgewiesen.

Traurig ist das, auch peinlich findet
Jutta Külkens

Stand 16.08.2013

Neues von der Betreuung der Flüchtlinge

Am 8. August ist wieder eine neue Familie aim Haus am Wellkamp eingezogen. Es sind das Ehepaar Arjan und Alketa Sadikaj, zusammen mit der Tochter Enirida, die 10 Jahre alt ist, und dem Sohn Endrit, jetzt 7 Jahre alt. Sie kommen aus Albanien, die Verständigung mit ihnen ist recht schwierig - aber seit heute habe ich ein Deutsch - Albanisches Wörterbuch, das hoffentlich hilfreich ist.....

....Sie waren bisher 3 Monate im Auffanglager in Bramsche, wo die Kinder auch schon zur Schule gingen. Und seit heute gehen sie auch hier zur Grundschule, Enirida in die 4. und Endrit in die erste Klasse. Ich bin immer wieder froh darüber, dass die Niederländerin Ine Haart hier an der Schule allen fremdsprachigen Kindern intensiven Sprachförderunterricht gibt, ihne dabei die Schönheit und Melodik einer Sprache vermittelt und sie immer neugierig macht, mehr zu erfahren - lernen macht Freude bei ihr!

Sadikays haben von Bramsche aus Asyl beantragt, haben für die Dauer des Verfahrens eine "Aufenthaltsgestattung". Es ist jedoch vollkommen ungewiss, ob ihr Asylantrag positiv beurteilt wird - die Quote der anerkannten Albaner ist sehr niedrig.

Das tschetschenische Ehepaar Ozimov ist nach einem nur kurzen Aufenthalt im Haus am Wellkamp verschwunden. Ihre Angst, zurück in ihr gesetzloses und unfriedliches Heimatland geschoben zu werden, war anscheinend so groß, dass sie versuchen, irgendwo im ihnen sicher erscheinenden Westeuropa ohne legalen Aufenthaltsstatus Fuss zu fassen - also "untertauchen in die Illegalität". Aber: kein Mensch ist illegal! Solange er lebt, ist er ein Kind Gottes! Vor kurzer Zeit begingen wir den 62.Jahrestag der Verabschiedung der "Genfer Flüchtlingskonvention", die Flüchtlingen grundlegende Rechte zusprachen - noch unter dem Eindruck des damals eben beendeten Weltkriegs und der menschenverachtenden Verfolgung aller, die nicht der staatlich vertretenen Norm entsprachen. Und 1948 wurde von den Vereinten Nationen die "Allgemeine Erklärung der Menschenrechte" verkündet, der sich die ganze Menschheit verpflichtet fühlen sollte ....

Artikel 1 der "Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte":

Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollten einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen.

Jutta Külkens



Stand 21.07.2013

Neues von der Betreuung der Flüchtlinge

Seit Beginn der Sommerferien wohnen Othmans nun in Bad Bentheim, in einer Wohnung des Bauvereins. Sie sind recht froh darüber, da die Möglichkeiten zur Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs von Gildehaus aus doch recht eingeschränkt sind und zum Beispiel eine Fahrt mit dem Bus nach Nordhorn oft zu einem Tagesausflug wurde – ganz abgesehen von den Kosten....

...Und nach den Ferien werden die Eltern einen Sprachkurs der Volkshochschule in Nordhorn besuchen, und der Sohn Dilar die Kaufmännische Berufsschule, auch in Nordhorn, um sich dort zum Wirtschaftsassistenten ausbilden zu lassen. Dilar wäre gerne nach Osnabrück als Studienvorbereitung zum Studienkolleg gegangen, er bekam aber keine Genehmigung vom Ausländeramt dafür. Solange ihr Aufenthaltsstatus nicht gesichert ist, dürfen sie den Landkreis nur für kurze Ausflüge verlassen.

Rohan wurde in die 8. Klasse der Realschule versetzt und Heiv wird nach den Ferien in die 5. Klasse der Gildehauser Hauptschule gehen. Das sie weiter die vertraute Schule besucht, wird ihr - hoffentlich – Sicherheit und Vertrauen in ihre Umgebung und sich selbst geben.Die ganze Familie ist sehr froh,, weiter lernen zu können und dadurch auch mit der doch immer noch etwas fremden Umgebung vertrauter zu werden. Ob 50 Jahre oder 10, sie haben ihr gesamtes bisheriges Leben in ihrer Heimat verbracht. Ich hoffe sehr, dass sie nicht genauso viele Jahre brauchen werden, um hier heimisch zu werden. Ein der Heimat ähnliches Umfeld aufzubauen braucht Zeit, eine Gemeinschaft aus Familie, Freunden und Nachbarn wächst langsam, muss gepflegt werden, kann gestaltet werden.

Wenn sie nur die Sicherheit bekämen, bleiben zu dürfen ...

In Gildehaus am Wellkamp ist am 5. Juli eine Familie aus Tschetschenien eingezogen. Sie wurden aus dem Flüchtlings-Auffanglager Friedland hierher nach Bad Bentheim – Gildehaus „überstellt“. Es sind Zarah und Ramon Urimov (beide 40 Jahre alt) mit den Töchtern Mariam (4 Jahre) und Amened (3 Jahre) und Sohn Mohamed, (fast 2 Jahre)Zarah ist von Beruf Ärztin, ihr Ehemann Roman ist Herrenfriseur. Der Kontakt zu ihnen ist schwierig, sie sprechen nur russisch – und ich kann kein Wort, weder reden noch verstehen

.Ich bin froh, durch Vermittlung von Barbara Lührs eine sehr hilfsbereite Deutsch - .Russin getroffen zu haben, die gerade Urlaub hat und bereit ist, Übersetzungsdienste zu machen. Die bei Ankunft erforderlichen Anmeldungen, ob Einwohnermeldeamt oder Ausländeramt, Schulen oder Kitas, Diakonie, Kleiderkammer, Brotkorb, und die medizinisch Betreuung – ich bin Frau Baisakov sehr dankbar für ihre immer wieder selbstverständliche Bereitschaft, helfend zu übersetzen.

Ein echtes Problem ist jedoch der ungesicherte Aufenthalt der Familie in Deutschland. Sie sind vor Überfällen und Misshandlungen in Tschetschenien nach Polen geflüchtet, haben sich dort gemeldet und ein Papier unterschrieben, dessen Text sie nicht verstanden hatten. Sie wurden in einem Hotelzimmer untergebracht, wo sich dann niemand mehr um sie kümmerte. Nach 2 Tagen reisten sie nach Deutschland weiter, Sie verstehen nicht, warum sie hier nicht erneut einen Asylantrag srellen dürfen. Sie kommen aus einer Kultur, in der man mit „einer Handvoll Geld“ zu argumentieren gewohnt ist.Sie haben große Angst, nach Polen zurückgeschickt zu werden, erzählen immer wieder, dass sie sich in Polen nicht sicher fühlen vor der tschetschenischen Verfolgung. Ein Rechtsanwalt, den ich zu dem Fall befragte, sah wenig Chancen für die Familie, nach EU – Recht müssen Flüchtlinge von dem Land aus, wo sie zuerst europäischen Boden betraten, ihren Asylantrag

stellen, Ausnahmen gibt es nur in wenigen Fällen, wenn, wie zum Beispiel in Griechenland die wirtschaftliche Lage so schlecht ist, dass die eigene Bevölkerung nicht versorgt werden kann. Oder wie in Italien, wo keine staatliche Sozialversorgung existiert.

Diese EU – Richtlinie ist in Friedland bekannt – ich begreife nicht, warum z.B. der Familie Orimov durch die „Überstellumg“ hierher Hoffnung gemacht wird. Wir starten eine aufwendige Unterbringung und Erstbetreuung, die Familie schöpft Hoffnung, hier in Sicherheit zu sein – aber nur für einige Wochen?

Mein Eindruck ist : Die EU-Verordnung macht aus Flüchtlingen Objekte, die wie Postpakete „überführt“ oder „rücküberstellt“ werden. Ihnen werden ihre Würde und ihre Menschenrechte genommen. Die Familie Orimov lebt in Angst, die ich ihnen nicht nehmen kann. Rechtsanwalt und Diakonie sehen auch keine Möglichkeit. Darf ein EU – Recht sich über Menschenrechte hinwegsetzen? Hilflos und traurig macht mich das,

Jutta Külkens

Stand 08.04.2013

Es gibt keine Zufälle...

...aber plötzliche Veränderungen! Heute morgen bekamen Othmans die Nachricht, dass der Gerichtstermin morgen, 9.4., aufgehoben wurde. Das Verwaltungsgericht Osnabrück will ein Verfahren abwarten, welches vor dem Europäischen Gerichtshof in einem ähnlichen Fall die Zuständigkeit Italiens als Erstaufnahmeland feststellen soll.Wie lange das dauern wird, ist völlig offen....
...Wir waren daher heute nur beim Ausländeramt in Nordhorn und haben dort eine 6-monatige Verlängerung der Aufenthaltsgestattung bekommen – leider weiterhin ohne Arbeitserlaubnis - Es ist eine kleine Freude, aber die grundsätzliche Unsicherheit bleibt halt.
Trotzdem danken wir, Othmans und ich, allen, die an das Anliegen der Familie dachten und sie in ihre Gebete eingeschlossen haben!
Jutta Külkens, 08.04.2013
 



Stand 02.04.2013

Familie Othman

Hier stelle ich Ihnen die Familie Othman vor. Sie haben Einzelne von ihnen sicher schon gesehen, sie leben seit September 2012 in Gildehaus am Wellkamp.
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aus den Gemeindenachrichten Mai/Juni 2013

Dies sind Herr Zidan Othman mit seiner Ehefrau Warda, ihren Söhnen Ardilan (25 Jahre), Dilar (19 Jahre) und den beiden Töchtern Rohan (14 Jahre) und Heiv (10 Jahre). Sie sind Kurden aus Al Hasakah in Syrien. Kurden gehören, wie auch z. B. Christen, zu den verfolgten Minderheiten in vielen arabischen und vorderasiatischen Staaten. Die Verfolgung datiert noch aus der Zeit des Osmanischen Reiches (17. - 20. Jahrhundert), wo Kurden als Beduinen wandernde Viehzüchter waren und in den Grenzgebieten der heutigen Staaten Türkei, Irak, Iran und Syrien unterwegs waren. Dadurch haben viele bis heute keine Staatsangehörigkeit – und keine Bürgerrechte.
Auch die syrischen Kurden bekamen erst unter der jetzigen Regierung Assad eine anerkannte Staatsbürgerschaft, jedoch mit mehr gefühlten Pflichten als Rechten.
So berichten mir alle Mitglieder der Familie Othman übereinstimmend, dass sie ihre Sprache Kurdisch nicht in der Öffentlichkeit benutzen durften, dass weder kurdische Bücher noch Musik, weder kurdische Kleidertrachten noch eine freie Berufswahl möglich waren.
In einem Staat zu Hause zu sein, wo die eigene Identität missachtet, teils verachtet und verfolgt wird, wo ich nicht den Beruf ausüben darf, den ich mir aussuche, wo Schulbesuch mit der Verleugnung eigener Werte verbunden ist, wo Staatsangehörigkeit automatisch gekoppelt ist an militärischen Kriegsdienst – das geht einfach nicht. Da bin ich doch nicht daheim!
Othmans haben lange versucht, in ihrer Heimat alle kleinsten Nischen zu nutzen, um ein nach ihrem Verständnis zufriedenes Leben zu führen.
Als Dilar jedoch zum Kriegsdienst für diesen Staat eingezogen zu werden drohte, entschloss sich die Familie, wie andere Familienangehörige schon vor ihnen, in Deutschland politisches Asyl zu beantragen. Sie hatten eine recht abenteuerliche Reise bis hierher nach Gildehaus, haben auch immer noch kein endgültiges Recht hier zu bleiben. Aber ich unterstütze sie gerne in ihrer Hoffnung, dass ihr Antrag hier bearbeitet werden darf – und danke immer wieder der Kirchengemeinde für die vielfältige und stärkende Unterstützung!

Jutta Külkens

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Sie sind Kurden aus Syrien, wo sie in der Stadt Al Hasakah lebten. Der älteste Sohn Ardilan studierte Informatik in Moskau, das war möglich, weil die politischen Beziehungen zwischen den Staaten gut waren und auch jetzt noch intakt sind. Dilar hat in Syrien Abitur gemacht und wollte Betriebswirtschaft studieren. Rohan ging zur Realschule und Heiv zur Grundschule. Der Vater Zidan Othman leitete einen Apotheken-Großhandel, später ein sogenanntes Sozialkaufhaus, wo gebrauchte Möbel und Haushaltsgeräte gesammelt, repariert und dann an Bedürftige weitergegeben werden. Die Mutter hatte eine kleine Apotheke, ist ausgebildete Kosmetikerin und war in der Alten- und Krankenpflege tätig.
Im Oktober 2011 besuchten sie den Sohn Ardilan in Moskau. Auf dem Rückflug bei einem Zwischenstopp in Rom weigerten sie sich, nach Damaskus weiter zu fliegen. Stattdessen wollten sie zu Verwandten nach Deutschland, um dort politisches Asyl zu beantragen. Sie wurden im Transitbereich des Flughafens Rom 10 Tage festgehalten, bis man sie ohne Begründung entließ.
Mit Hilfe von Schleppern kamen sie nach Deutschland, wo sie im November politisches Asyl beantragten und bei Verwandten untergekommen waren. Von dort wurden sie in ein „Auffanglager“ in Braunschweig gebracht, dann nach 2 Monaten in ein weiteres Lager in Bramsche. Und nach 10 Monaten dort wurden sie nach Bad Bentheim – Gildehaus „umverteilt“.
Am 1. Februar bekamen sie die Nachricht vom Ausländeramt, dass sie nach Italien „rückgeführt“ werden sollten. Nach einem europäischen Asylabkommen muss der Asylantrag in dem Land gestellt werden, in dem zuerst europäischer Boden betreten wurde (Dublin 2 -Abkommen). Am 9. April wird in einem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Osnabrück entschieden, ob der Asylantrag hier von Deutschland aus weitergeführt werden kann.
Der Flüchtlingsrat Niedersachsen wies darauf hin, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zwei Fristen versäumt hat, um Othmans „zurückzuführen“, ein Fachanwalt für Flüchtlingsrecht wird diese Sache vertreten, der Verein „Pro Asyl“ will die Finanzierung übernehmen.
Frau Waldmann-Drews, zuständig für die Migrationsberatung des Synodalverbands der Reformierten Kirche, hat mir sehr geholfen, um der Familie das Ankommen und Einleben hier zu ermöglichen und zu erleichtern. Dies gilt auch für Heike und Lütger Voget.
Dilar hat mit sehr gutem Erfolg die Sprachkurse der VHS besucht, die Eltern haben einen Sprachtest besucht, nach dem sie in die Kursstufe eingeteilt werden. Rohan geht zur Realschule in Bentheim, Heiv hier in die 4.Klasse der Grundschule. Beide Mädels gehen gerne zur Schule, zum Sport und zum Schwimmen, ihre Halbjahrs – Zeugnisse waren für die doch schwierigen Voraussetzungen recht gut, sie nehmen beide dankbar die Unterstützung der Schulen und des „Familien-Bildungs-Pakets“ an. Wir alle tun an vielen Stellen soviel wie wir können, jetzt bleibt noch Beten und Fürbitte tun, dass der zuständige Richter human und gerecht entscheidet und seinen Ermessensspielraum in der Gesetz – Auslegung zugunsten der Familie Othman nutzt.
Ich bitte um Unterstützung im Gebet, dass Friede und Menschlichkeit wachse in unseren Herzen, unserem Land – und der Welt.
Von Herzen dankt Jutta Külkens
Gildehaus, 02.04.2013
 
Zidan Othman hat mit seiner Familie seine Heimat verlassen, da er sich als Kurde verfolgt fühlt. Er war 2004 verhaftet, musste seinen Pharma-Großhandel aufgegeben und wurde ständig verdächtigt wegen seiner Solidarität mit seinen kurdischen Landsleuten.
 
Warda Othman wurde ihr kurdischer Name genommen, ihr wurde der Schulbesuch verwehrt wegen falscher Alters“vermutungen“ – sie fühlte sich in ihrer Persönlichkeit missachtet.
 
Ardilan studierte in Moskau. Als im Dezember 2012 sein Visum abgelaufen war, wurde er nach Damaskus geschickt. Mit Hilfe von Verwandten konnte er in die Türkei fliehen und von dort nach Berlin. Er hat dort Asyl beantragt und hat bereits eine Aufenthaltserlaubnis!
 
Dilar will nach dem Abitur studieren, er sollte aber zum Militärdienst – er will nicht kämpfen!
 
Rohan will mit ihren Eltern leben, fühlt sich bei ihnen zuhause.
In der Schule in Syrien wurde ihr untersagt, die Haare offen zu tragen, sich modisch zu kleiden. Und Rohan findet es ungerecht und auch diskriminierend, dass sie in der Schule - wie überhaupt in der Öffentlichkeit - nicht ihre Muttersprache Kurdisch sprechen darf.
 
Heiv hat Angst. Sie wurde beauftragt, ihre Eltern zu bespitzeln. Sie hat heute noch Schlafschwierigkeiten.
Sie erlebte Bomben- und Gewehrlärm – sie kann so ein fröhliches Kind sein – und hat solche Angst!